Walter Gotschke Bildarchiv
 
Flügel und Bodeneffekte 1968 - 1976
1968
Den Rennwagen wachsen Flügel
Die Rennsaison 1968
1968 begann das »Flügelzeitalter«
Die immer breiter bereiften, immer leichter und schneller werdenden Rennfahrzeuge verlangten nach mehr Bodenhaftung, vor allem beim Bremsen und in den Kurven. Zuerst zeigten sich vorne am Bug kleine Stummel, dann Abdeckungen über dem Heck. Innerhalb weniger Wochen erreichten die Flügel gigantische Höhen – zunächst am Heck auf filigranen Stützen, dann wurden vergleichbare Konstruktionen auch vorn montiert. Noch befanden sich diese aerodynamischen Hilfen im Experimentierstadium, es wurde mit Winkelmessern und Wasserwaagen vor den Boxen operiert. Die Nutzung war riskant, immer wieder brachen die zierlichen Streben. Die immer höher werdenden, manuell verstellbaren Heckflügel neigten dazu, abzufallen. Unfälle waren vorprogrammiert.
Neue Dunlop-Regenreifen
So dominant die Flügel für das Auge auch waren, für das Rennen entscheidender war nach wie vor die passende Reifenwahl.
Unschlagbar bei Nässe erwiesen sich da die neuen Dunlop-Regenreifen mit superweicher Gummimischung und breiter zentraler Rille zur Verbesserung der Wasserdrainage. Auf abtrocknender Piste allerdings waren sie sehr schnell durchgefahren. Da hieß es, den »richtigen« Zeitpunkt zum Wechseln nicht zu verpassen.
Der neue Cosworth-Ford DFV-Rennmotor
Ab dieser Saison wurde auch der Cosworth-Ford DFV-Rennmotor allen interessierten Kundenteams zugänglich. Als der rund 400 PS starke Motor erstmals am 4. Juni 1967 beim Grand Prix der Niederlande in Zandvoort im Heck des Lotus 49 aufheulte, begann eine bis heute einzigartige Erfolgsgeschichte. Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung waren die Spezifikationen des Motors bis in die frühen 1980er Jahre erfolgreich.
Neu – Werbung am Rennwagen: Die fahrenden »Litfaßsäulen«
Die immer aufwendigeren technischen Entwicklungen verlangten nach neuen Geldquellen. Zudem befand sich schon seit
einiger Zeit die Royal Dutch Shell sukzessive auf dem Rückzug aus dem Motorsport und die zusätzliche abrupte Einstellung der finanziellen Zuwendungen der deutsch-amerikanischen Esso rüttelte an der Existenz der Rennteams. Von den bescheidenen Start- und den unsicheren Siegprämien konnten die kleinen Privatunternehmen, die fast ausschließlich für den Rennsport und von ihm lebten, nicht existieren. So folgte die Internationale Motorsportbehörde dem amerikanischen, in Europa bisher als grell und vulgär empfundenen, Vorbild und hob das Verbot von Werbung auf dem Rennwagen auf.
Damit endete im GP-Sport die Periode des Wettstreits der Nationen, ihrer Automobilproduzenten und deren Zulieferer.
Teams und Fahrer
Matra International (Tyrrell)
Noch war das niemandem bewusst. Noch tauchte nach zwölf Jahren Abwesenheit – seit Gordinis Rückzug – das Blau der Franzosen bei den Großen Preisen wieder auf. Ermuntert durch seine Formel 2-Erfolge, unterstützt von der Regierung und der neu gegründeten staatlichen Mineralöl-gesellschaft »elf« griff das französische Raumfahrtunternehmen »Matra« mit ein in den Kampf um Erfolg und Anerkennung bei den Weltmeisterschaftsläufen der Formel 1.
Aber der blaue »National-Wagen« mit eigenem V12-Motor und französischem Fahrer blieb weit hinter den gesteckten Erwartungen zurück. Da kam es »Matra Sports» sehr zupass, dass der britische Privatrennstall des ehemaligen Holzhändlers Ken Tyrrell ein Fahrzeug suchte. Ausgestattet mit dem inzwischen käuflich zu erwerbenden Dreiliter-V8-Cosworth und den englischen Dunlop-Reifen gelang seiner »Equipe Matra Internationale« mit dem Fahrer Jackie Stewart der Vorstoß an die Formel 1-Spitze.
Die »Deutsche Dunlop Gummi Compagnie AG«, die sich 1968 ebenfalls zum Grand Prix-Einstieg entschieden hatte, belieferte Tyrrell nicht nur mit Reifen, sondern kam auch als Sponsor ins Team.
Honda Racing
Dagegen trat man bei Honda auf der Stelle. Immer noch kämpfte John Surtees mit einem zu schweren Fahrgestell und einem unzuverlässigen Motor. Ende der Saison zog sich Honda aus der Formel 1 zurück, nachdem Debüt eines unausgereiften Rennwagens, bei dem Jo Schlesser in Frankreich tödlich verunglückte.
Bruce McLaren Motor Racing
Gemeinsam mit dem Manager Phil Kerr und dem Piloten Denis Hulme – beide von Brabham abgeworben – bildete Bruce McLaren das erfolgreiche »Neuseeländische Triumvirat«. Sein leuchtend-oranger M7A-Ford-Cosworth war nicht nur zuverlässig und schnell, er war auch der schönste Grand Prix-Wagen dieser Saison.
Brabham Racing Organisation
Für Brabham fuhr jetzt Jochen Rindt. Leider konnte das Team mit dem neuen Repco-V8, der stark von der bisherigen Konzeption abwich, nicht an die Erfolge der letzten beiden Jahre anschließen.
Scuderia Ferrari
Mit ihrem Vierventiler waren die Ferraris 312 die einzige echte Konkurrenz zu den Ford-V8-Angetriebenen. Doch obwohl der stürmische Jacky Ickx neben Chris Amon verpflichtet worden war, fehlte der Scuderia nach wie vor ein erfahrener Pilot der Spitzenklasse.
Gold Leaf Team Lotus
Colin Chapman hatte nicht nur seine englischen Farben verkauft, sondern gleich seinen Namen mit an die Zigarettenfirma »John Player and Sons« und startete mit rot-weiß-gold lackierten Wagen unter der Bezeichnung »Gold Leaf Team Lotus«
Für Lotus saß nur noch Graham Hill im Cockpit. Mit großer Erschütterung hatte die Motorsportwelt Anfang der Saison den tragischen Todessturz von Jimmy Clark bei einem Formel 2-Rennen in Hockenheim zur Kenntnis genommen. Mit ihm sei, so meinten viele, der letzte Sportsgeist aus der Formel 1 verschwunden – – .
War es Zufall, war es Zeitenwende?
Jedenfalls endete mit ihm die Aera der heldenhaften Bezwinger einer Rennstrecke, begann jetzt die Zeit der Berufsrenn-fahrer, die Ansprüche stellten und sich ihre Siege teuer bezahlen ließen.
1968 Deutschland Grand Prix,  Nürburgring      
Den 30. Großen Preis von Deutschland, der zum Jubiläum den Titel »Großer Preis von Europa« trug, wollten die Veranstalter mit einem weitgesteckten Nebenprogramm festlich begehen. Doch sie hatten ihre Planungen ohne das berühmt-berüchtigte Eifelwetter gemacht. Das hüllte Anfang August – vom ersten Trainingstage an – den Nürburgring in dichte Wolken.
Nach wenigen halbherzigen Trainingsrunden am Freitag zogen sich die Fahrer in ihre Hotels zurück, ihre Rennwagen verschwanden in den Boxen. Am Samstag ergänzte den Nebel ein Wochenend-Dauerregen. Die Fahrer der Rahmenrennen wurden nach Hause geschickt. Für die Grand Prix-Teilnehmer stellte die Rennleitung einen »fliegenden Zeitplan« auf, nach dem, je nach Wetterlage, die Konkurrenten zum Training abberufen wurden.
Auch am Renntag regnete es in Strömen und lediglich die tiefer gelegenen Stellen des Rings waren nebelfrei. Mit Verspätung und nervösem Durcheinander – zuerst zeigte man den Fahrern die Zwei-Minuten-, dann die Drei-Minuten-Tafel – wurde das Rennen gestartet. Als die Flagge fiel, kochten bereits die ersten Motoren – –
Wie der Blitz schoss aus der zweiten Reihe Hill mit seinem Lotus an die Spitze, aus der dritten Stewart auf Tyrell-Matra – an Amon (Ferrari) und Rindt (Brabham) vorbei – hinter ihm her. Hohe Gischtwolken aufwirbelnd verschwanden sie vor dem Feld in den Nebelschwaden. An Schnellfahren war nicht zu denken, an Überholen schon gar nicht. Trotzdem tauchte aus der ersten Runde Stewart in Führung auf, die ihm – Dank seiner exclusiven »Super-Wet-Dunlops« – niemand mehr streitig machen sollte.
Nachdem Stewart Ende der vierten Runde über eine Minute Vorsprung herausgefahren hatte, war in den folgenden Runden der Kampf um den zweiten Platz das Hauptthema des Rennens, während die Liste der Ausfälle hinter ihnen immer länger wurde. Doch diese Dramen waren unbedeutend im Vergleich zu Stewarts meisterhafter Leistung in Führung liegend. Der Schotte begann in Runde zehn, die Nachzügler zu überrunden, als der Kampf um den zweiten Platz hinter ihm plötzlich abbrach.
Hill, Amon und Rindt lagen Stoßstange an Stoßstange, und als das Trio die Boxengasse passierte und die zwölfte Runde begann, versuchte Amon auf den zweiten Platz vorzudringen, indem er in der folgenden ersten Kurve die Außenlinie wählte. Doch als er in die Nordkehre einbog, rutschte der Lotus in die Büsche und schied aus.
Hill bemerkte weder, dass Amon sich gedreht, noch, dass Rindts Tempo plötzlich nachgelassen hatte. Der Brite gab weiter Gas, doch kurz vor der Hohen Acht drehte auch er sich auf der glitschigen Fahrbahn. Mit abgewürgtem Motor ließ er seinen Lotus ins Gras rollen. Hill hatte befürchtet, dass Amon in sein Auto krachen würde und fragte sich jetzt, wo der Ferrarifahrer geblieben war. Doch schnell war er aus dem Auto und schob es zurück auf den Asphalt, schwang sich hinein, und den Hügel aus der Hohen Acht hinab sprang der Cosworth-Motor wieder an bevor Rindt den Ort des Drehers erreichte.
Zu Beginn der letzten Runde lagen Hill und Rindt in der Gischt dicht hintereinander – vier Minuten vor ihnen beendete Stewart dieses »sein schrecklichstes aller schrecklichen Rennen«.
Ende der Saison gewann Graham Hill (Lotus) mit acht Punkten vor Jackie Stewart (Tyrell-Matra) die Fahrer-Weltmeisterschaft.
1969
Verbot der zum Teil abenteuerlichen Flügelkonstruktionen
Rennsaison 1969
Nach mehreren schweren Unfällen mit den immer aufwändigeren und zum Teil abenteuerlichen Abtriebflächen über den Achsen der Rennwagen schritt die FIA ein. Noch während des Trainings vom Monaco Grand Prix wurden die monströsen Flügel verboten. Die neuen »Spoiler« standen nicht mehr auf filigranen Stelzen, sondern waren direkt am Heck montiert.
Zuvor schon waren für die Saison 1969  bordeigene Feuerlöscher und stabilere Überollbügel vorgeschrieben worden.

Teams und Fahrer
FIAT hatte 50 Prozent von Ferrari übernommen,
nachdem ein Übernahmeangebot von Ford abgewiesen worden war – Enzo Ferrari blieb Chef der Rennabteilung.
Das neue Privat-Team »Frank Williams Racing Cars Ltd«
tauchte erstmalig auf und setzte Kundenautos von Brabham mit Piers Courage als Fahrer ein.
Der Matra-Ford des englischen Rennstallbesitzer Ken Tyrrell
war in der Saison derart überlegen, dass Jackie Stewart mit 26 Punkten Vorsprung zum Zweitplazierten Jacky Ickx (Brabham) seinen ersten Titel holte.
In Monaco wurde letztmalig ein Cooper eingesetzt.
Ein großer Name, der einer ganzen Epoche seinen Stempel aufgedrückt hatte, war für immer verschwunden. Diese schon betagten Formelrennwagen mit dem modifizierten Maserati-Motor hatten gegen die superleichten, starkmotorigen Konkurrenten keinerlei Chancen mehr. Mit Cooper zog sich auch Maserati aus dem Grand Prix-Sport zurück.
Der Grand Prix von Belgien wurde abgesagt,
die Fahrervereinigung GPDA hatte Bedenken geäußert, da ihr die Hochgeschwindigkeitsstrecke Spa-Francorchamps mit den langen Geraden als zu schnell und zu unsicher erschien.
Gurney baute seine Eagle
nur noch für den finanziell einträglicheren amerikanischen Rennsport.
1969 Spanien Grand Prix,  Circuito de Montjuic in Barcelona
      Lotus mit aerodynamischem Flügel – Jochen Rindt #2 – Unfall Graham Hill
Mitte der 60er Jahre hatte der »Real Automovil-Club de Cataluna« beschlossen, den Motorsport auf der bereits 1933 genutzten 3,8 Kilometer langen Rennstrecke im Montjuic Park in Barcelona wiederzubeleben. Ab 1966 wurden Formel-2-Rennen aus- getragen und 1968 ein zusätzliches 6-Stunden-Sportwagenrennen in das Programm aufgenommen. Der Ehrgeiz des Clubs war es aber, den spanischen Grand Prix zu veranstalten. Angesichts der Unbeliebtheit der Jarama-Strecke in Madrid, wo letztes Jahr der erste F1-Weltmeisterschaftslauf stattfand, verloren die Barceloaner keine Zeit, ihren Anspruch für 1969 geltend zu machen.
Der Grand Prix von Spanien kam dieses Jahr also nach Norden. Die Rennstrecke, die auf öffentlichen Straßen rund um den Park verlief, war umfangreich modernisiert worden, an vielen Stellen neu asphaltiert, und der gesamte Kurs,, sowohl innen als auch außen, mit Armco-Barrieren ausgekleidet. Für die Renndauer wurden Boxen errichtet und dahinter, im weitläufigen Fahrerlager, ein Gebäude für die Presse ausgebaut.
Die spanischen Zollbeamten machten es immer noch sehr schwierig, einen Rennwagen ins Land zu bringen. Nur sechs Werks-teams und drei Privatfahrer setzten ihre Autos ein. Die meisten Teams kamen mit ihren 1968er Modellen. So auch das Gold Leaf-Team Lotus mit den beiden regulären 49B für Hill und Rindt. Viele Aktivitäten des Teams während des gesamten Trainings konzentrierten sich darauf, die Flügel des Lotus immer mehr zu verlängern.
Als die Rennwagen vor der Aufwärmrunde am Dummy Grid standen, entdeckte ein Mechaniker eine Öllache unter Olivers B.R.M., eine Ölleitung war geplatzt. Ein Polizist hielt den Mechaniker davon ab, es dem Fahrer zu sagen und bei der Aufwärmrunde verteilte Oliver das Öl über die gesamte Strecke. Es folgten eine Aufräumaktion und eine zweite Aufwärmrunde. Schließlich fiel die Flagge und zwölf der vierzehn Teilnehmer durften starten. Oliver wurde in die Box geschoben, während Piers Courage mit einem festsitzenden Anlasser auf der Startaufstellung festsaß.
Alle anderen jedoch schossen los, mit Jochen Rindt in Führung vor Chris Amon und Jo Siffert, während Jackie Stewart einen schlechten Start erwischte und auf den sechsten Platz zurückfiel. Ende der ersten Runde hatte Rindt eine Runde Vorsprung herausgefahren, einen Abstand, den der Österreicher am Ende der zweiten Runde verdoppelte. Amon blieb ihm dicht auf den Fersen
Chris Amon war zurückgefallen und Graham Hill lag nun an zweiter Position – doch nicht lange. In der achten Runde, den Anstieg hinunter zur ersten Haarnadelkurve, geriet sein Wagen außer Kontrolle und endete als Wrack in der Armco-Barriere. Hill stieg unverletzt aus. Irgendetwas an seinem Lotus war kaputt gegangen.
Und dann kam es in Runde zwanzig zum dramatischen Ausscheiden des zweiten, des führenden Lotus. An fast der gleichen Stelle, an der Hill die Kontrolle über seinen Wagen verlor, hatte Rindt genau den gleichen Unfall. Diesmal war jedoch deutlich zu sehen, wie sein hinterer Flügel zusammenbrach. Der Wagen prallte gegen die Armco-Barriere, dann in die Trümmer von Hills Auto und überschlug sich – irgendwie überlebte Rindt diesen schrecklichen Unfall. Mit einer gebrochenen Nase, Schnitte und Abschürfungen im Gesicht wurde er ins Krankenhaus transportiert.
Amon lag jetzt mit großem Abstand vor Stewart in Führung, ihnen folgten Brabham, Ickx und McLaren. In den folgenden Runden baute der Ferrarifahrer seinen Vorsprung weiter aus, bis zur 56. Runde, als sich plötzlich der Motorton änderte, eine große Rauchwolke herausquoll und sein Auto am Straßenrand zum Stehen kam. Der Neuseeländer stieg mit verzweifeltem Blick aus seinem Ferrari und sah zu, wie Stewart auf Matra die Führung übernahm.
Stewarts Vorsprung betrug nun mehr als eine Runde und bald waren es zwei, während hinter ihm ein Auto nach dem anderen ausfiel. Als Erster im Ziel angekommen, holte er sich neun WM-Punkte, zusätzlich zu den neun, die er beim Auftaktrennen in Südafrika erzielte.
Ende der Saison hatte sich Jackie Stewart mit sechs Siegen die Fahrer- und Matra die Konstrukteursweltmeisterschaft gesichert.
1969 Monaco Grand Prix,  Monte Carlo       Graham Hill auf Lotus 49 holte sich seinen 5. Monaco-Sieg
Nach dem ersten Trainingstag in Monaco beschloss die FIA, die hohen Flügel zu verbieten, um so ein Chaos wie in Barcelona, das Graham Hill und seinem Lotus-Teamkollegen Jochen Rindt beinahe das Leben gekostet hätte, zu vermeiden.
Das sorgte unter den Teamchefs für einigen Aufruhr. Zwar war die Entscheidung für das Monaco-Rennen um die Häuserecken sinnvoll, aber es war die Art des Verbots in letzter Minute, was die Teamchefs verärgerte. »Es sei nicht so einfach, diese Flügel abzunehmen und die Autos trotzdem richtig zu handhaben.« Sie prophezeiten »tote Menschen und tote Fahrer«.
Glücklicherweise wurde ihnen das Gegenteil bewiesen. Beim Doppeltraining am Samstag war der WM-Führende Jackie Stewart mit abgenommenen Kotflügeln erneut Schnellster und holte seine erste Karriere-Pole neben Chris Amons Ferrari – und diese beiden setzten sich nach dem Start schnell von einer Verfolgergruppe ab, angeführt von Graham Hill auf Lotus.
Bis zur Rennmitte waren von den sechzehn Gestarteten nur noch sieben im Rennen – alle anderen durch Kollisionen oder technische Defekte ausgeschieden. &ndash: an der Spitze lag nun Graham Hill mit zwölf Sekunden Vorsprung. Souverain fuhr er seinen fünften Monaco-Sieg nach Hause.
1970
Beginn der Sicherheitsdiskussion
Die Rennsaison 1970
Colin Chapman präsentierte mit dem Lotus 72
einen Monoposto als Keil und nicht wie die anderen als Röhre oder Zigarre; die Kühler saßen in den Seitenk%auml;sten des Chassis, die vier Bremsen lagen innen und waren durch Wellen mit den Rädern verbunden – eine der Schwachstellen des Lotus 72, denn die Verbindung zwischen Bremsscheiben und Welle brach häufig.
Das revolutionäre Auto kämpfte allerdings mit großen Startschwierigkeiten, da in vielen Bereichen Neuland betreten wurde. Nicht wenig konstruktive Details, insbesondere beim Fahrwerk, erwiesen sich als problematisch und mussten verändert werden.
Das Tyrrell-Team
tritt erstmalig mit eigenem Rennwagen an, nachdem die seit Allianz mit Matra aus unternehmenspolitischen Gründen zerbrochen war. Das inzwischen zum Chrysler-Konzern gehörende Unternehmen Matra lehnte die von Tyrrell praktizierte Kombination des Matra-Chassis mit Motoren von Cosworth oder Ford ab
Mit March Engineering
kam ein neuer Konstrukteur hinzu, der nicht nur ein eigenes Werksteam betrieb, sondern auch seine Rennwagen an Kundenteams verkaufte. Der March 701 war das am meisten verbreitete Auto der Saison 1970
Ex-Weltmeister John Surtees hat sein eigenes F1-Team gegründet
Als er nach einer erfolglosen Vorsaison bei BRM für 1970 kein Werkscockpit mehr erhielt, entschied er sich, seine Fahrerkarriere mit einem eigenen Rennstall fortzusetzen. Bis das erste Surtees-Auto einsatzbereit war, half sich das Team mit älteren Kundenautos von McLaren aus.
1970 feierte der Österreichring seine Grand Prix-Premiere –
auch auf dem Flugplatzkurs von Zeltweg wird erstmalig die Formel 1 gefahren.

Der Nürburgring wird von den Rennfahrern boykottiert – der Große Preis von Deutschland wird erstmals auf dem Hockenheimring ausgetragen.
1970 Deutschland Grand Prix,  Hockenheim
     Der Lotus 72 - Jochen Rindt undLotus-Teamchef Colin Chapman
Mitten hinein in die Vorbereitungen zum Großen Preis von Deutschland platzte die Nachricht, die Mehrzahl der Formel 1-Fahrer habe sich entschieden, auf dem Nürburgring nicht zu starten: »Zu gefährlich,« so Stewart. »Was hat sich denn seit den Zeiten Caracciolas da geändert? – – Nichts! – Nur die Bäume wurden dicker.«.
Also müssten sie weg, die dicken Bäume, und die dichten Hecken, als »Prellböcke« bezeichnet, auch. Und natürlich die Sprunghügel und die vielen gemeinen Bodenwellen, mit denen die Nordschleife geradezu übersät war. Für so einen Kurs waren die modernen, leichten Rennautos nicht gemacht, diese grazilen Wagenkörper, die immer schneller fuhren und am Ring immer höher und weiter sprangen. Die Fahrer wollten keine Fahrzeugerprobungsstraße, die Fahrwerke, Motoren und Getriebe zerstörte. Sie wollten Rennen fahren und Rennen gewinnen. Sonst nichts. Denn dafür wurden sie honoriert, nicht dafür, auf dem Nürburgring mit gebrochener Radaufhängung liegen zu bleiben.
Die Piloten forderten Sicherheitsstreifen und Auslaufzonen, auch ein neuer Bodenbelag müsste her – Jochen Rindt sowie Graham Hill plädierten für streckenumsäumende Leitplanken als Auffangschutz für Wagen und Insassen. Den entsetzten Nürburgring-Betreibern wurde – durch Mehrheitsbeschluss der Fahrer – ein 18-Punkte-Programm zur Abänderung der Nordschleife vorgelegt.
Am 3. August wanderte Joakim Bonnier, der Präsident der Fahrervereinigung, mit Vertretern des deutschen Automobilclubs, die Nordschleife ab. Nach Prüfung durchdie Unterkommission für Rennstrecken und Sicherhei, hatten sich die geforderten Änderungen auf 104 Punkte hochaddiert. Es war klar, dass diese Forderungen bis zum Renntermin nicht realisierbar waren.
So wurde das Motodrom von Hockenheim zum ersten Mal Schauplatz des Großen Preises von Deutschland.
Diese Strecke war nach Clarks Unfall modernisiert und mit Leitplanken versehen worden. Im Bereich der langen Waldgeraden reduzierten zwei neu eingefügte Schikanen die Geschwindigkeiten. Weit über hunderttausend Fans erlebten bei hochsommerlichen Temperaturen ein heißes Rennen.
Jacky Ickx auf Ferrari erwischte den besten Start und führte anfangs vor dem Lotusfahrer Jochen Rindt. Zusammen mit den beiden Marchpiloten Jo Siffert und Chris Amon und Clay Regazzoni auf dem zweiten Ferrari bildeten sie das Führungsquintett, das sich im Hardtwald spannende Windschattenduelle lieferte – bis, nach drei Viertel der Renndistanz, beide March und ein Ferrari mit technischen Defekten ausgeschieden waren.
Das Duell um den Sieg zwischen Rindt und Ickx war sagenhaft. Rindt gewann hauchdünn vor Ickx. Es war sein vierter Sieg in Folge, sein fünfter der Saison.
1971
Bernie Ecclestone übernimmt die Verwaltung der kommerziellen Rechte der Formel 1
und leitet damit eine Aera globaler finanzieller Macht ein
Die Rennsaison 1971
Erstmals Diagonal-Slick-Reifen ohne Profil
Glatte Reifen bieten optimalen Grip auf trockener Fahrbahn und ermöglichen beste Rundenzeiten.
Teams und Fahrer
Zum Saiaonauftakt hatten, neben den bekannten Ställen Ferrari, Lotus, Brabham, BRM, McLaren und Matra
drei neue Teams gemeldet:
»TS« von John Surtees, der sich mit Rob Walker zusammengetan hatte
»March« mit den Gesellschaftern und Namensgebern Max Mosley, Alan Rees, Graham Coaker und Robin Herd.
Ins Leben gerufen von Ford England, als Gerüchte umgingen, Porsche und Mercedes würden wieder in die Formel 1 einsteigen
Das »elf-Team-Tyrrell«, das der hagere Holzhändler Ken Tyrrell gegründet hatte, als die äußerst erfolgreiche Zusammenarbeit mit Matra erloschen war, weil sie rein französisch bleiben wollten.
Beim Großen Preis von Österreich debütiert Niki Lauda
1972
Bernie Ecclestone kauft das Brabham- Team
1972 die revolutionäre March 721 X

1972 Monaco Grand Prix,  Monte Carlo       Emerson Fittipaldi auf Lotus Ford

1972 Weltmeister Emerson Fittipaldi auf Lotus Ford

1973
1973 Monaco Grand Prix,  Monte Carlo       Emerson Fittipaldi auf Lotus Ford
Der Grand Prix von Monaco war das sechste Rennen der WM-Saison 1973. Auf Grund von umfangreichen Umbauarbeiten mit einem neuen Tunnel, erweiterten Boxenanlagen und einer neuen Sektion im Bereich des Schwimmbades fand er erst Anfang Juni statt. Fünfunfzwanzig Autos standen am Start von denen elf die Zielflagge sahen. Sieger war Jackie Stewart vom Elf Team Tyrrell vor Emerson Fittipaldi und Ronnie Peterson vom John Player Team Lotus.
Auf dem Bild oben sehen wir den amtierenden Weltmeister Emerson Fittipaldi - lassen wir ihn selbst zu Wort kommen:
»Vor allen anderen wollte ich immer zwei Grands Prix gewinnen – mein Heimrennen in Brasilien und Monaco. In Brasilien konnte ich 1973 und 1974 siegen, aber Monte Carlo ist mir immer entgangen. Ich bin deshalb traurig, weil ich Monaco immer geliebt habe. Aus Fahrersicht bleibt der Kurs eine einmalige Herausforderung. Du hast null Raum, du musst also unglaublich präzise fahren, gleichsam aber aggressiv. Nun gehen aber Aggression und Präzision selten Hand in Hand. Und doch – schaffst du das nicht, bist du hier einfach nicht schnell genug.«
»Weil Monaco so eng ist, musst du die Leitschienen bewusst in die Linie mit einbeziehen, fast an jeder Kurve. Ich habe immer gesagt: Du weisst, dass du eine gute Runde gefahren hast, wenn die Seitenwände deiner Reifen weiß geschliffen sind. Du musst auch die Haftung der Reifen fühlen können und zwar an allen vier Ecken, denn Monaco ist so buckelig, rauf und runter, mit Dellen in der Bahn und nach aussen hängenden Kurven, dass selten alle vier Laufflächen sauber auf dem Asphalt aufliegen.«
»Wenn Sie die Möglichkeit haben, dann schauen Sie sich mal in Ruhe Formel-1-Aufnahmen von Monaco aus den 60er und 70er Jahren an. Ausgangs Casino-Platz streift das linke Hinterrad die Leitschiene und rechts vorne hängt das Rad in der Luft. Diese Kombination ist einzigartig.«
»1973 folgte ich Jackie Stewart im Tyrrell, mein Lotus war schneller, aber ich fand einfach keinen Weg an ihm vorbei. Jackie machte einfach keine Fehler und basta. Ich kam 1,3 Sekunden hinter ihm ins Ziel.«
1973 Deutschland Grand Prix,  Nürburgring       Das siegreiche Tyrell-Duo von Stewart und Cevert.
Vom Start weg bis zum Fall der schwarz-weiß karierten Flagge führten die beiden sehr gut auf den Eifelkurs abgestimmten Tyrrell mit Stewart und Cevert.
Jacky Ickx, nach einem Streit mit Ferrari im McLaren, fuhr ein einsames Rennen auf dritter Position. Der hinter ihm liegende argentinische Aufsteiger Carlos Reutemann im Brabham blockierte das ganze Feld, bis er in der achten Runde mit Motorschaden liegen blieb.
Für die einzige große Aufregung dieses im Ganzen recht monotonen Rennens hatte gleich zu Beginn Niki Lauda gesorgt, als er wegen eines schleichenden »Patschens« seinen BRM verriss – einen halben Kilometer auf der Felsenböschung entlang rutschte – noch ein Rad verlor – quer ins Gelände schoss und zu kippen drohte. Doch schon war der erste Staffelmann bei ihm! Lauda kam mit dem Schrecken und einer gebrochenen Hand davon.
1974
Die Ölkrise
Die Rennsaison 1974
Die »Energie-Krise«, ausgelöst durch den Ölboykott der arabischen Staaten gegen die »israelfreundlichen Länder« verursachte in der westlichen Wohlstandsgesellschaft einen Schock. Sonntagsfahrverbote, Benzinrationierungen und Geschwindigkeits-begrenzungen waren die Folge. In den Garagen der britischen Rennställe herrschte die Dreitagewoche, die Teambosse schwangen sich aufs Fahrrad, die Piloten fuhren mit dem Zug zu ihren genehmigten Kurz-Testfahrten, erste Rennen fielen aus.
Im Spätsommer sprach keiner mehr von autofreien Sonntagen oder gar von einem Rennsportverbot. Die Europäer intensivierten ihre Suche nach dem Nordseeöl und verstärkten die Förderung der Atomenergie. Weltweit begannen die Automobilhersteller, Fahrzeuge mit geringem Treibstoffverbrauch zu entwickeln.
Die Top Teams der Saison
Scuderia Ferrari
Ganz besonders kräftig leuchtete in der WM-Rennsaison 1974 das Rot der Italiener. Ferrari war dabei, die drei Top-Teams Tyrrell, Lotus und McLaren zu überholen. Mit der Ernennung des jungen dynamischen »avvocato« Luca di Montezemolo zum Rennleiter, den wieder als »capo engegnere« verpflichteten Mauro Forghieri und der Loseisung der beiden bei BRM gelandeten Nachwuchstalente Clay Regazzoni und Niki Lauda für die Scuderia, hatte der alternde Enzo Ferrari seine besten Entschei- dungen getroffen: es galt, den hervorragend ausgetesteten Ferrari 312B zu schlagen. Schwer hatten Clay Regazzoni und Niki Lauda mit Ingenieur Forghieri geschuftet und innerhalb von drei Wochen auf der neuen hauseigenen Ferrari-Teststrecke in Fiorano bei Eiseskälte mit mehr als zehntausend Testkilometern ein völlig neues Auto entwickelt.
Elf Team Tyrrell
Durch den Rücktritt des Schotten Jackie Stewart und den Tod des charmanten Franzosen François Cevert beim letzten Weltmeisterschaftslauf 1973 in Watkins Glen, hatte sich Ken Tyrell gezwungen gesehen, seine Fahrer-Besatzung zu erneuern. Er vertraute dem feurigen Jody Scheckter, und Patrick Depailler wurde von Sponsor Elf ins Team gebracht. Und es war Scheckter, der mit dem neuentwickeltem eleganten Modell 007 erste Siege einfahren konnte.
John Player Team Lotus
Durch den Wechsel von Emerson Fittipaldi zu McLaren, stieg Ronnie Peterson zum Nummer-1-Fahrer auf, sein Teamkollege wurde Jacky Ickx. In technischer Hinsicht lief bei Lotus 1974 einiges schief. Der neu entwickelte Typ 76, der offiziell die Bezeichnung John Player Special Mk. 1 erhielt, litt an zuvielen technischen Mängeln und fiel fast regelmäßig aus. Mit dem alten 72E konnte Peterson dagegen noch drei Siege erzielen. Ende der Saison gab Lotus den 76 auf.
Team Motul B.R.M.
Die British Racing Motors waren in der Erfolgsskala immer weiter abgerutscht. So verwunderte es niemanden, dass sie nicht nur ihre beiden Top-Fahrer, sondern auch den größten Financier der Branche verloren hatten.
Marlboro Team Texaco
Dafür zeigten sich jetzt die McLaren stolz im rot-weißen Outfit und hießen nach ihren neuen Sponsoren »Texaco-Marlboro«. Für ihre Rennerfolge sorgte neben dem alternden Hulme vor allem Emerson Fittipaldi, der Vizeweltmeister mit dem unglaublichen Autogefühl.
Sonderseite
Ferrari 312B3 – Brabham BT44 – Lotus 76       1974 Deutschland Grand Prix, Nürburgring
Training – im Karussell Lauda (Ferrari 312B3) – Reutemann (Brabham BT44) – Peterson (Lotus 76)
Zum 75sten Jubiläum des veranstaltenden Automobilclubs von Deutschland hatte der Deutsche Grand Prix den Ehrentitel »Großer Preis von Europa« erhalten und schon am Donnerstag gaben die Veranstalter den zahlreich gemeldeten Ställen den Ring für das Vortraining frei.
Vorsichtig pirschten sich die Piloten auf der Nordschleife in die ersten Trainingsrunden. Alles Kurvenbegradigen, Verbreitern und Glätten hatte nur dazu geführt, dass sie schneller geworden war, aber nicht sicherer. Sogar die einst so gepriesenen Leitschienen hatten sich stellenweise als gefährlich herausgestellt. Sie waren zurückversetzt, neue Sturzräume angelegt und hohe elastische Drahtfangzäune montiert worden. Ringbetreiber sowie Rennveranstalter stöhnten unter den ständig steigenden Kosten der Strecken- und Rennsicherung. Insgeheim wurden Pläne für einen kürzeren Eifelkurs in Auftrag gegeben.
Während des Trainings kämpften die Teams wie gewohnt mit dem Ring: an einem Lotus brach eine Felge – die neu errichteten Fangzäune retteten Peterson das Leben; an Stucks March explodierten gleich reihenweise die Motoren – mehr als Platz neun war nicht drin; an anderen Fahrzeugen brachen Querlenker, platzten Reifen, die Wagen rutschten auf regennasser Fahrbahn in die Leitplanken – nichts hatte sich geändert – –
Die von allen Piloten am meisten gefürchtete Stelle war der Sprunghügel im »Pflanzgarten«. Bis zu zehn Meter weit sprangen ausgangs einer langgezogenen Linkskurve die Rennautos scheinbar ins Leere, ihre Lenker hatten alle Mühe, sie für die folgende Rechts auf Linie zu halten, von wo sie mit Vollgas durch ein Geschlängel auf die Gerade zum »Schwalbenschwanz« zuschossen. Hier sollte dann auch im Rennen die Katastrophe passieren, die Mike Hailwoods Karriere beendete: Sein Yardley-Mac geriet ihm außer Kontrolle, prallte frontal in die Barriere, Stahlträger durchstießen das Monocoque und zerschmetterten Knöchel und Schienbeine des Fahrers – –
Souverän beherrschten die Ferraris alle Konkurrenten. Nebel und Regen am Samstagnachmittag beendeten ihr Anrennen gegen die »Sieben-Minuten-Grenze«. 7:00,8 – Pole für Nii Lauda! 7:01 – zweiter Startplatz für Clay Regazzoni! Hinter den beiden Ferraris – neben Emerson Fittipaldi auf McLaren-Ford – überraschender Vierter, Ring-Neuling Jody Scheckter mit dem Tyrrell-Ford –
Clay Regazzoni (Ferrari 312B3) beim Überrunden auf der Breidscheidbrücke
Start! Fittipaldi hob die Hand – das Getriebe seines McLaren streikte! Teampartner Hulme, durch Ickx am Ausscheren gehindert, rammte voll in ihn hinein – da war Superstarter Regazzoni – mit Scheckter im Sog – längst in der Südkehre. Der auf der Gegengeraden aufholende Niki Lauda sah ihn nur noch entschwinden – um nicht abgehängt zu werden, musste er so schnell wie möglich an ihn ran
Unüberlegt stieß er aus Scheckters Windschatten nach links heraus, gewann eine halbe Länge Vorsprung – musste die Nord- kurve anbremsen. Sein Ferrari zog nach rechts, kletterte mit dem rechten Hinterrad über das linke Tyrrell-Vorderrad, stieg hoch, kreiselte mehrmals und schlitterte mit dem Heck voran in den Fangzaun – der fing Lauda unverletzt auf – Scheckter verlor nicht einmal seinen Platz.
Regazzoni, der die Szene im Rückspiegel beobachtet hatte, war schon »über alle Berge« – weit voraus fuhr er einem kampflosen Sieg entgegen.
1975
Der neue Ferrari 312T – ein Auto, das der Konkurrenz technisch weit überlegen war
mit fünf Siegen gewann Niki Lauda seinen ersten Weltmeistertitel
Die Rennsaison 1975
Die Ölkrise. macht sich bemerkbar – viele kleine Marken mussten aufgeben.
Ingenieur Forghieri nutzte die unerschöpflichen Ressourcen in der Ferrari-Schmiede und brachte rechtzeitig den Ferrari 312 T heraus. Sinkender Absatz und riesige Autohalden waren für die Italiener noch lange kein Grund, am Rennsport zu sparen,
dagegen litten fast alle englischen Teams unter dem wirtschaftlichen Abschwung. Die britische Tabakindustrie hatte ihre Budgets sehr stark beschnitten. Chapman verlor seinen Nimbus, seine Lotus rangierten nur noch unter »ferner liefen«.
Frank Williams, der »Überlebenskünstler«, stand mit seinem neuen Williams FW plötzlich ohne potenten Sponsor da hnd verließ sich ganz auf sein französisches Fahrtalent Jacques Laffite.
Die Owen-Organisation hatte ihren Rennstall ganz in private Hände gelegt.
Auch Max Mosley war schon am Zusperren, als in letzter Minute eine Frau sein March-Team rettete: für die erfolgreiche Formel 500-Pilotin Lella Lombardi finanzierte der italienische Kaffeekonzern Lavazza einen Formel 1-Wagen.
Einzig dem gewieften Geschäftsmann Bernie Ecclestone war der »große Fischzug« gelungen: ein zartes Hausfarben-Muster des italienischen Aperitif-Fabrikanten Martini zierte seine jungfräulich-weißen Brabham.
Firestone hatte sich aus der Formel 1 zurückgezogen und Goodyear nutzte sein Monopol zu drastischen Kürzungen. Und Obwohl seine »Einheitsreifen« härter und damit langsamer waren, den Teams standen anstatt fünfzehn nur noch zwei Reifengarnituren für das Training zur Verfügung,
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McLaren M23 - Ferrari 312T       1975 Deutschland Grand Prix, Nürburgring Im Karussell
Niki Lauda (Ferrari 312T) - Carlos Reutemann (Brabham BT44B)
Vor dem Großen Preis von Deutschland führte Niki Lauda mit dem inzwischen zum Fiat-Konzern gehörenden »Springenden Pferd« mit Abstand die Weltmeisterschaftsliste an. Die Scuderia war der einzige Rennstall, der die Saison mit einem neuen Auto begonnen hatte, dem äußerst zuverlässigen 312T Von Beginn an führte Lauda souverän. In der neunten Runde sah es sogar nach einem Ferrari-Doppelsieg aus, da blieb Regazzoni mit Motorschaden liegen. Reutemann im Brabham schloss zu Lauda auf, um kurz darauf die Führung zu übernehmen – auf der Felge seines Ferraris humpelte Lauda in die Boxengasse. Als Dritter sicherte er sich noch wichtige Meisterschaftspunkte.
Carlos Reutemann fuhr am Ende mit über anderthalb Minuten Vorsprung auf den Zweitplatzierten Jacques Laffite im Williams zum Sieg
Emerson Fittipaldi (McLaren M23) - Ronnie Peterson (Lotus 72E) im Training
Überhaupt gab es an diesem Wochenende auf dem Nürburgring ein seltsames Phänomen: schon im Training waren zweiund- zwanzig Reifenschäden zu beklagen, und im Rennen bei Halbzeit waren auch schon acht Piloten durch Reifenschäden ausge- fallen, bis zum Ende des Rennens sollten es fünfzehn sein.
Emerson Fittipaldi erwischte es in der Luft: über dem großen Sprunghügel am Pflanzgarten explodierte der linke Hinter- reifen seines McLaren – –
Ronnie Peterson auf Lotus hatte keine gute Saison – am Nürburgring beim Start verbrannte er seine Kupplung so gründlich, dass für ihn der Grand Prix bereits nach einer Runde zu Ende war.
1976
Die Formel-1-Autos waren nun mit riesigen und ziemlich hässlichen Airboxen hinter dem Cockpit ausgestattet, um den Luftstrom zum Motor zu erhöhen, was den Weg zur nächsten großen technischen Revolution in der F1 ebnete: den Bodeneffekten.
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Ferrari 312T2 – Tyrrell P34             1976 Monaco Grand Prix, Monte Carlo
Niki Lauda auf Ferrari 312T2 im Training
Die Rennstrecke verlief noch so wie vor 30 Jahren, aber ganz spurlos war die Zeit an dem traditionsbewussten Zwergstaat nicht vorübergegangen. Aus den Sandsäcken wurden Strohballen, und dann wurde die Strohsicherheit durch Leitplanken ersetzt. Seit letztem Jahr gab es zwei größere Modifikationen an der Strecke in Form von künstlichen Kurven, aber niemand schien sich über ihren Zweck im Klaren zu sein. Wer auch immer sich das ausgedacht hatte, war bei den Formel-1-Fahrern von 1976 überhaupt nicht beliebt. Denn, da alle neuen Kurven mit von der FIA empfohlenen, breit abgeschrägten Randsteinen eingefasst waren, hüpften alle über sie, was nicht nur Aufhängungen, Antriebswellen und Getriebe belastete, sondern die Autos auf höchst widerspenstige Weise aus der Bahn warf.
Es war interessant Lauda beim Training zu sehen, wie er es möglichst vermied, über die Kerbs zu springen und auf fast arrogante Weise, ohne Bordsteinsprünge oder verzweifelte Maßnahmen, kam Lauda deutlich unter die 1-Minute-30-Sekun-den-Marke und brachte damit seinen Ferrari auf den ersten Startplatz. Sein dunkelhäutiger Teamkollege aus Lugano, Clay Regazzoni, setzte sich neben ihn.
Auch die sechsrädrigen Tyrrell-Autos von Patrick Depailler und Jody Scheckter liefen gut und platzierten sich hinter Ronnie Petersons March-Ford auf die Plätze vier und fünf. Der Wolf-Williams-Ford mit Jackie Ickx (oben auf dem Bild hinter Lauda) konnte sich nicht qualifizieren.
Wie schon gewohnt Niki Lauda auf Ferrari 312T2 nach dem Start in Führung.
Wie schon gewohnt war Niki Lauda mit seinem Ferrari als Erster weg, fuhr ein sehr hohes Tempo und setzte sich schnell vom ganzen Feld ab, In der ersten Runde den Hügel hinauf lautete die Reihenfolge: Lauda (Ferrari), Peterson (March), Regazzoni (Ferrari), Depailler (Tyrrell-Sechsrad), Scheckter (Tyrrell-Sechsrad) – – – hinter ihnen waren in der Schikane schon die ersten kollidiert, ein weiterer humpelte mit beschädigter Radaufhängung an die Box, der nächste blieb mit verbogener Front an der Schikane stehen – – –
Casino-Platz – Patrick Depailler (Tyrrell P34) vor Clay Regazzoni (Ferrari 312T2)
Die Situation nach 30 Runden war, Lauda mit seinem Ferrari selbstbewusst in Front, mit Abstand folgten Scheckter und Depailler auf den sechsrädrigen Tyrells, bedrängt vom zweiten Ferraripiloten Regazzoni
Die Tyrells begannen Übermüdungssymtome zu zeigen, das rechte Hinterrad von Depaillers Wagen lief unrund und bei Scheckter stimmte offensichtlich auch etwas nicht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Regazzoni den angeschlagenen Tyrrell von Depailler überholte, was ihm einige Runden später auch gelang.
Lauda war schon kräftig beim Überrunden – Depailler konzentrierte sich darauf seinen Sechsrädrigen sicher ins Ziel zu bringen, Regazzoni versuchte seinen zweiten Platz zurückzuerobern. Doch er übertrieb – vier Runden vor Schluss rutschte sein Ferrari am Schwimmbad in die Leitplanken. So blieben nur noch Scheckter und Depailler in der gleichen Runde wie der Führende – sehr zur Freude ihres Sponsors ELF.
Niki Lauda auf Ferrari 312T2 fährt seinem Sieg entgegen
Der Führende machte keinen Fehler und unberührt von den Positionskämpfen im Feld mit all ihrer Dramatik führ Niki Lauda auf Ferrari vor den beiden Tyrrell seinem Sieg entgegen..
Sieger Niki Lauda auf Ferrari 312T2
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Unfall Lauda             1976 Deutschland Grand Prix, Nürburgring
Am Wippermann – Jody Scheckter (Tyrrell P34) – Ronnie Peterson (March 761)
1976 sorgten, außer dem dominierenden Vorjahressieger Ferrari mit dem Weltmeister Niki Lauda, zwei weitere Teams für Schlagzeilen: Tyrrell mit seinen sechsrädrigen »Project 34«-Wagen, in denen Jody Scheckter und Patrick Depailler verlorenes Terrain zurückzuerobern trachteten, und McLaren mit dem ehemaligen Hesketh-Piloten James Hunt, der Emerson Fittipaldis Platz eingenommen hatte, als dieser ins neue Team seines Bruders wechselte.
Die hohen Lufthutzen über den Motoren, die den Rennwagen so ein stolzes Aussehen gegeben hatten, waren den neuen Vorschriften zum Opfer gefallen. Auch die ausladenden Heckflügel durften nicht mehr so weit abstehen wie bisher. Die Fahrzeugbreite war neu definiert worden, ebenso die Felgengröße.
In aufwendigen Testfahrten hatte Goodyear Anfang der Saison seine Reifenmischungen mit den Rennautos neu abgestimmt. Nicht zuletzt, um so ein Debakel wie letztes Jahr auf dem Eifelkurs zu vermeiden, obwohl in Presseerklärungen der dafür verantwortlich gemacht wurde: kleine spitze Steine, die durch das Überfahren der Pistenränder auf die Bahn gerieten, seien die Ursache für die vielen Reifenschäden gewesen. So war doch erneut der unsichere und gefährliche Nürburgring im Gespräch. Lauda polemisierte lautstark gegen ihn. Er machte keinen Hehl daraus, dass er sich mit ihm partout nicht anfreunden konnte.
Unfall Niki Lauda
Kurz vor dem Start herrschte auf der Rennstrecke ein heilloses Chaos. Die, bedingt durch starke Schauer, äußerst stürmisch verlaufenen Rahmenrennen machten aufwendige Reparaturarbeiten an den Fangzäunen notwendig. Alle waren nervös. Und während die Formel 1-Fahrer verzweifelt ihre Plätze suchten, verdichteten sich wieder die Wolken, wurde Regen gemeldet. Aus der Fuchsröhre, von Breidscheid, von der Hohen Acht – bei Start und Ziel begann es zu nieseln. Außer Jochen Mass ließen alle Piloten Regenreifen aufziehen.
Mit Verspätung stob die Meute davon – – allen voran Superstarter Regazzoni – Teampartner Lauda war mit durchdrehenden Rädern fast stehengeblieben – als Zehnter bog er in die Südkehre. Mass mit seinen Slicks hatte überraschend Grip und sehr rasch erkannten die anderen Fahrer ihre falsche Reifenwahl. Als Erster bogHunt zu den Boxen ab. Nach ihm Pace – Scheckter – – Lauda – und das halbe Feld.
Als sie wieder in den Rennkampf eingriffen und die zweite Hälfte an die Boxen strömte, führte Mass auf McLaren bereits mit Abstand. Da dröhnte es aus den Lautsprechern: »Unfall! Unfall! – Beim Bergwerk Feuer!«
Lauda, in Aufholjagd, war mit den linken Rädern seines Ferraris über die Bordsteinkante geraten. Eine tausendstel Schrecksekunde genügte &ndash: er verriss das Steuer seines Wagens. Der drehte sich – durchschlug auf der rechten Seite zwei Fangzäune – prallte mit dem Heck gegen eine Felswand und wurde auf die Strecke zurückkatapultiert. Sofort stand das ganze Fahrzeug in Flammen.
Mit Glück konnte der dichtauf folgende Edwards in seinem Hesketh neben dem brennenden Ferrari stoppen. Lunger dann, im Surtees, geriet auf Fahrzeugtrümmer und rammte den Unfallwagen. Ertl, obwohl voll auf der Bremse, knallte mit seinem Hesketh in beide hinein. In Bruchteilen von Sekunden waren die drei Fahrer aus ihren Wagen und begannen mit Hilfe zweier Streckenposten den Kampf gegen das Feuer. Merzario vom Williams-Team sprang hinzu – direkt in die Flammen – zerrte an Laudas Gurt – endlich! Nach fünfundvierzig Sekunden war der Österreicher aus dem Wrack geborgen.
Bis dahin aber saß Lauda ohne Sauerstoffversorgung bei 800 Grad im Feuer und atmete giftige Dämpfe ein, da ihm beim Aufprall der Helm abgerissen wurde. Erst fünf Minuten später, behindert durch das aufgelaufene Rennfeld, traf der Ambulanzwagen ein. Lauda, der sich noch mit seinen Rettern unterhielt, wurde ins Adenauer Krankenhaus gebracht.
Sieger James Hunt (McLaren M23)
Seine Fahrerkollegen rollten langsam zu Start und Ziel. Um 15 Uhr erfolgte der Neustart. Ferrari trat nicht mehr an. Die Bahn war frei für einen Start-Ziel-Sieg von Hunt auf McLaren. Teampartner Mass belegte hinter Scheckters Tyrrell einen für ihn traurigen 3. Rang – –
Noch am gleichen Abend kam Lauda in die Spezialklinik für Brandverletzte und von da auf die Intensivstation der Städtischen Krankenanstalten Mannheim. Fast eine Woche schwebte er in akuter Lebensgefahr – sein eiserner Wille rief ihn zurück ins Leben – – Für die Nordschleife aber war sein Unfall der Todesstoß.

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